Der neunjährige Sohn von Susi und Christian Höchtl leidet an einer Autismus-Spektrum-Störung – Das HPZ Irchenrieth unterstützt die Familie in vielen Belangen und fördert die Kindes-Entwicklung

Jonas ist neun Jahre alt. Beim Sohn des Weidener Ehepaares Susi und Christian Höchtl kann man auf den ersten Blick nur schwer erkennen, dass er seit seiner Geburt an einem Gen-Defekt leidet – an einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung, die als Autismus-Spektrum-Störung, genauer als Suszeptibilität für Autismus-Typ 18, diagnostiziert wird. „Ab und zu lebt er in seiner eigenen Welt““, erzählt Susi Höchtl, die ihr Kind 2018 in die Partnerklasse des Heilpädagogischen Zentrums (HPZ) Irchenrieth in Rothenstadt eingeschult hat.

Eine Entscheidung, die die 37-Jährige bis heute nicht bereut. Aber auch eine Entscheidung, die sich ihr Mann und sie zunächst nicht leicht gemacht haben: „Sie war jedoch absolut richtig. An der Hans-Sauer-Schule und dann nachmittags anschließend in der HPZ-Tagesstätte in Irchenrieth wird sich um Jonas bestens gekümmert. Er ist dort perfekt aufgehoben, wird rundum gefordert und betreut und in seiner Entwicklung gefördert“, umschreibt Susi Höchtl kurz und treffend die „tolle Arbeit“, die Lehrer Christian Reichl in Rothenstadt und das HPZ-Team vor Ort leisten.

Die anfänglichen Zweifel und Vorbehalte, das eigene Kind zu einem großen Teil in die Obhut Fremder zu geben, sind inzwischen gewichen. Mit Selbstbewusstsein und Offenheit spricht die 37-Jährige heute über das Leben mit einem Kind, das durch eine „Laune der Natur“ behindert auf die  Welt gekommen war. Wobei: Behindert? Gehandicapt? Nein: „Jonas ist einfach nur anders“, sagt die Weidenerin, die als ausgebildeter Fitness- und Personal-Coach und als Ernährungsberaterin in Vohenstrauß seit September 2020 ihr eigenes Studio „Room4you“ (https://www.room4you-fitness.de/) betreibt.

„Mit meinem Schritt in die Selbständigkeit wollte einen Ort schaffen, wo sich Menschen treffen können, um ihre Ziele zu erreichen und umzusetzen. Ich habe kein klassisches Fitness-Studio. Bei mir sollen Menschen zusammenkommen, sie sollen lachen und Spaß haben, Freundschaften sollen sich entwickeln und es soll sich natürlich bewegt werden“, sagt Susi Höchtl.

Eine Beschreibung, die irgendwie auch auf ihren Sohn Jonas und sein bisheriges Leben zutrifft. Zunächst besuchte er in Weiden einen öffentlichen Kindergarten. Wegen Jonas‘ geistiger und körperlicher Behinderung – er hat u.a. Probleme mit der Verdauung und mit der Fein- und Grobmotorik – war schnell klar, dass das zu viel für ihn war. Es schloss sich der Wechsel in eine Schulvorbereitende Einrichtung (SVE) in Weiden an. Über das Sozialpädiatrische Zentrum (SPZ) der Kliniken Nordoberpfalz AG entstand damals der Kontakt zum HPZ, zur Partnerklasse in Rothenstadt und zur Tagesstätte in Irchenrieth.

„Hier ist Jonas angekommen. Er wird entsprechend seiner Behinderung umfassend unterstützt, gefördert und gefordert“, lobt die 37-Jährige. Und: Ihrem Sohn werden feste Strukturen und ein regelmäßiger Tagesablauf geboten, die aufgrund seiner Störung für ihn ungemein wichtig sind. So wird er jeden Tag zu Hause abgeholt und nach Rothenstadt gefahren. Nach der Schule geht es mit nach Irchenrieth zur nachmittäglichen Betreuung in die Tagesstätte, wo er bis 16 Uhr auch verschiedene Behandlungen, wie z. B. Ergo- oder Physiotherapie erhält, ehe er wieder zurück nach Weiden gebracht wird.

Das geordnete und umfangreiche Rundum-Konzept des HPZ, das von der SVE über die Schule und Ausbildung bis zu einem Arbeitsplatz reicht, sorge für Jonas zum einen für Sicherheit. Zum anderen werde ihm, soweit wie möglich geholfen, selbstständig zu werden. Dennoch: „Christian und ich haben natürlich Zukunftsängste bezüglich Jonas“, gibt Susi Höchtl unumwunden zu. Ängste, die ihnen  auch das HPZ natürlich nicht vollkommen nehmen kann, aber sie etwas erleichtert.

Denn Jonas,  so seine Mama, gehe „sehr gerne in die Schule und in die Tagesstätte“. Was nicht zuletzt dem Umstand geschuldet ist, dass er inzwischen sogar schon Freundschaften zu anderen Kindern aufgebaut hat. Wie gerne der Neunjährige das HPZ besucht, habe sich während der Corona-Pandemie und einer nötigen einhergehenden zehnwöchigen HPZ-Pause  gezeigt. „Er hat ständig gefragt, wann er denn wieder hin kann“,  erinnert sich Susi Höchtl.

Sie möchte daher auf alle Fälle ihren Jungen so lange wie möglich in der HPZ-Schiene laufen lassen. „Wir sind für alles offen, wobei Jonas‘ Berufswunsch ist, einmal Landwirt zu werden. Was wohl  daran liegt, dass meine Schwester einen Bauernhof hat und  er dort liebend  gerne zu Besuch  ist“, sagt die 37-Jährige. Sie hat sich übrigens, nicht zuletzt wegen ihres Sohnes, nun dazu entschieden, eine weitere Ausbildung zum Thema „Sport und Bewegung für behinderte Kinder“ zu machen. Behindert? Nein: Für Kinder, die einfach nur anders sind!

Hintergrund:

Die tiefgreifende Entwicklungsstörung, die als Autismus-Spektrum-Störung diagnostiziert wird, tritt in der Regel vor dem dritten Lebensjahr auf und kann sich in einem oder mehreren der folgenden Bereiche zeigen:

  • Probleme beim wechselseitigen sozialen Umgang und Austausch (etwa beim Verständnis und Aufbau von Beziehungen)
  • Auffälligkeiten bei der sprachlichen und  nonverbalen Kommunikation (etwa bei Blickkontakt und Körpersprache)
  • eingeschränkte Interessen mit sich wiederholenden, stereotyp ablaufenden Verhaltensweisen

Betroffene Menschen werden als Autisten oder als autistisch bezeichnet. Aufgrund ihrer Einschränkungen benötigen viele autistische Menschen – manchmal lebenslang – Hilfe und Unterstützung. Autismus ist unabhängig von der Intelligenz-Entwicklung, jedoch gehört Intelligenzminderung zu den häufigen zusätzlichen Einschränkungen. Trotz umfangreicher Forschungsanstrengungen gibt es derzeit keine allgemein anerkannte Erklärung der Ursachen autistischer Störungen.

Im derzeit gültigen Klassifikationssystem ICD-10 wird zwischen verschiedenen Autismusformen unterschieden (etwa frühkindlicher, atypischer Autismus und Asperger-Syndrom). Das DSM-5 und die ICD-11 (gültig ab 2022) hingegen enthalten keine Subtypen mehr und sprechen nur noch von einer allgemeinen Autismus-Spektrum-Störung (ASS; englisch autism spectrum disorder, kurz ASD).

Grund für diese Änderung war die zunehmende Erkenntnis in der Wissenschaft, dass eine klare Abgrenzung von Subtypen (noch) nicht möglich ist – und man stattdessen von einem fließenden Übergang zwischen milden und stärkeren Autismus-Formen ausgehen sollte.